Yoga – Verbindung von Haltung und Bewegung durch Atem
Warum üben wir Yoga? Was bringt mir das?
Yoga ist ein Übungsweg, eine Reise auf die du dich begibst, von der du nicht weißt, wo sie dich einmal hinführen wird. Dieser Weg umfasst die verschiedensten Sphären deines Lebens: die körperliche Ebene, die Gefühlsebene, deinen Umgang mit dir und anderen Menschen usw.
Jeder Teilnehmer, der regelmäßig Yoga übt, erlebt durch seine Yogapraxis ganz individuelle Auswirkungen. Je nachdem, was deine Ausgangssituation ist, wirkt das Yoga Üben auf dich etwas anders als bei anderen. Jeder Mensch ist durch seinen Lebensalltag, seine bisherigen Erfahrungen geprägt. Der eine hat sich seitdem er erwachsen ist kaum noch bewegt, sein Körper fühlt sich ziemlich steif an. Es fällt ihm schwer, bestimmte Bewegungen auszuführen und er fühlt sich oft verspannt. In seinem Kopf kreisen viele Dinge, die ihn beschäftigen und belasten und es fällt ihm schwer, sich in seiner Freizeit zu entspannen. Ein anderer ist ständig in Bewegung, aber in einer einseitigen, unausgewogenen Weise, die durch seine Arbeit geprägt ist. Dieser Mensch fühlt sich zwar vielleicht beweglich und stark, aber spürt die Auswirkungen der täglichen Belastungen – z.B. Schmerzen in den besonders beanspruchten Teilen seines Körpers.
Je nachdem, was wir in den Topf hineingeben, kommt am Ende auch ein anderes Gericht zustande. Die Vorerfahrungen und Prägungen, die uns unser Leben mitgegeben hat, sind die Zutaten des Yogamenüs.
Was dann beim Yoga Üben mit dir geschieht, welche Wirkungen die Yogapraxis auf dich hat, hängt neben den Zutaten dann von deiner Übungspraxis ab. Das Schöne an Yoga ist, dass sich in derselben Übungsstunde ganz unterschiedliche Töpfe mit verschiedensten Zutaten zubereiten lassen, eigentlich bereiten sie sich sogar ganz alleine zu. Was ich als Yogalehrerin hineingebe an Impulsen, kommt bei jedem Teilnehmer unterschiedlich an und du machst daraus deine eigene, ganz individuell auf deine Bedürfnisse zugeschnittene Praxis. Damit dies gelingt, hilft dir deine genau wie bei jedem anderen Menschen vorhandene natürliche Körper- und Bewegungsintelligenz.
Yoga lässt eben Raum für individuelle Unterschiede und Erfahrungen. Yoga kann dich stark machen und vor Verletzungen schützen, es kann dich aber auch weicher und flexibler machen. Es kann dir helfen, innere und äußere Widerstände zu überwinden, es kann dich mutiger machen, es kann dich aber auch dabei unterstützen, ruhiger und gelassener zu werden, Zwänge zu überwinden. Yoga kann auf viele Weisen wirken, aber nur dann, wenn du regelmäßig übst und dabei bleibst.
Was ist der Unterschied zwischen einer Yoga-Stunde und einer „normalen“ Fitness-Stunde?
Der wichtigste Unterschied zu einer Fitness-Stunde ist sicherlich die besondere Betonung von Achtsamkeit beim Üben. Wir üben Yoga langsam und bewusst, alles geschieht mit voller Aufmerksamkeit, jede Bewegung, die Atmung. Yoga hilft dabei, ins Jetzt zu kommen, im Augenblick der Gegenwart zu sein. Alles was uns ablenken kann, alle Gedanken an den zurückliegenden Tag oder die Dinge, die noch zu erledigen sind, bleiben für die Zeit der Yogapraxis draußen. In meinen Gedanken bin ich ganz in diesem Moment und erlebe, spüre, was die Übungen bei mir verändern, was in meinem Körper und in meinem Geist geschieht.
Warum ist das gut? Weil genau diese Achtsamkeit uns im Alltag fehlt. Wir tun oft Dinge, weil wir sie tun müssen, und oft auf eine Weise, die uns nicht gut tut, aber wir merken es meist nicht. Jedenfalls nicht während wir sie tun, sondern erst später, wenn wir die negativen Auswirkungen unseres Handelns bemerken. Yoga hilft dir dabei die Auswirkungen deines Tuns unmittelbar zu spüren, macht diese für dich erlebbar. Im besten Fall gelingt es dir dann, diese Aufmerksamkeit auch in deinen Alltag hinüber zu tragen und das, was du in deiner Yogapraxis gelernt hast, auch dort im Alltag, bei deiner Arbeit etc. umzusetzen.
Der Atem – Dein Zugang zu Achtsamkeit und Entspannung
Der Antrieb für unsere Atmung wird nicht, wie die meisten denken, durch unseren Bedarf an Sauerstoff geregelt, sondern durch den Kohlendioxid-Pegel im Blut. Über die Atmung befreit sich der Körper vom überschüssigen Kohlendioxid. Das ist interessant. Die Notwendigkeit zum Atmen entsteht also nicht etwa aus dem Bedürfnis nach Aufnahme (von O²), sondern nach Abgabe (von CO²). Der Abgabe bzw. Ausatmung von CO² entspricht mechanisch gesehen die Entspannung des Haupt-Atemmuskels, des Zwerchfells. Die Fähigkeit vollständig ausatmen zu können korreliert demnach mit der Fähigkeit des Loslassens und Entspannens. In unserem hektischen Alltag lassen wir oft nicht richtig los und atmen nur sehr flach und somit unvollständig aus. Dadurch vermindert sich auch die Kapazität der Lungen zur anschließenden Aufnahme von Sauerstoff, was sich auf unsere Lebensenergie und unsere Gesundheit auswirkt.
Deshalb nutzen wir im Yoga das bewusste Atmen, um darüber in einen Zustand der Entspannung zu gelangen. Wenn du dich achtsam und fokussiert deiner Atmung widmest, wirst du darüber lernen, deine Fähigkeit zum Loslassen und Entspannen zu verbessern.
Atemübung: Den Atem von Spannung befreien
- Atme entspannt aus
- Wenn du zu dem Punkt kommst, an dem du normalerweise wieder einatmen würdest, atme weiter sanft aus, und zwar so lange, bis du das Gefühl hast, dass deine Lungen wirklich vollständig leer sind
- An diesem Punkt halte einen Moment in der Leere inne und lass dann auch diese Anspannung vollständig los
- Spüre nun, wie durch das entstandene Vakuum deine Lungen sich ganz von selbst mit frischer Einatemluft füllen
- Bleibe ganz entspannt und lass die Einatmung bis tief in den Bauch vordringen, so dass sich deine Bauchdecke immer weiter ausdehnt
Yoga-Asanas – Die „Haltungen“ des Yoga; Was ist eine Asana?
Mit dem Begriff Asana bezeichnen wir im Yoga die Körperübungen wir z.B. den herabschauenden Hund oder den bekannten Lotussitz. Dabei geht es nicht darum, eine bestimmte äußere Haltung zu „erreichen“, also den Körper in eine bestimmte Haltung, eine Zielposition hineinzubringen, wie es viele Yogaanfänger, aber auch manche langjährig Praktizierende denken, die die Asanas in erster Linie als sportliche Übungen betrachten.
Die Wurzel des Wortes Asana bedeutet ‘Sitz‘. Asana könnte man übersetzen etwa mit ‘Sich niederlassen oder sich einrichten in‘. Die Yoga-Asanas repräsentieren die verschiedenen Zustände, zwischen denen unser Leben sich abspielt. Das Üben der Asanas soll uns vom äußerlichen Betrachten einer (starren) Haltung zum innerlichen Fühlen eines (wandelbaren) Zustands führen. Das klingt so sehr abstrakt, meint aber eigentlich nur, dass alles im Leben sich beständig wandelt und im Fluss befindet und Yoga uns dabei hilft, diese Veränderlichkeit bewusst wahrzunehmen und zu gestalten. Wir fließen von einer Asana zur nächsten, verweilen ein wenig dort, vertiefen sie durch unseren Atem, spüren was passiert, beobachten unsere Reaktion und fließen schließlich weiter zur nächsten.
Wir kennen alle den Spruch: „Du bist was du isst“. Man könnte ihn yogisch abwandeln zu: „Du bist was du wahrnimmst, was du fühlst, was du atmest und das in jedem Augenblick wieder anders.“ Alles befindet sich im Fluss und Yoga hilft dir, flexibel und durchlässig zu bleiben oder überhaupt erst zu werden. Denn nur dann bist du den Schwierigkeiten des Lebens gewachsen. Auch ein Bootsmast ist nicht starr, denn dann würde er brechen. „Haltung“ ist ein Zustand, der Stabilität und Nachgiebigkeit vereint. Und diesen wollen wir durch das Üben der Asanas erreichen.
(Ver-)Spannungen auflösen über Bewegungs- und Atemrituale
Ich habe dir eben erläutert, wie wir im Yoga über das Üben von Asanas und bewusstes Atmen in den Fluss kommen. Wie bei fast allem im Leben fällt es uns leichter, Neues zu erlernen und in unseren Alltag bzw. unsere Gewohnheiten zu integrieren, wenn wir es in Rituale verpacken.
Im Yoga gibt es verschiedene Rituale: Am Beginn einer Yogastunde üben wir zur Ruhe zu kommen über einfache Wahrnehmungs- und Atemübungen. Wir mobilisieren unsere Gelenke über kleine Bewegungsrituale. All dies tun wir immer wieder zu Beginn einer Stunde. Unser Bewusstsein nimmt diese kleinen Rituale nach einer Weile als vertraut wahr und verbindet damit sogleich bestimmte Wirkungen, die wir jedes Mal beim Üben erfahren. So reicht mit der Zeit schon das Wissen, dass jetzt eines dieser Rituale folgt, und sofort gelangen wir in den – nun schon vertrauten und gewohnten – Zustand.
Wir Menschen lieben Rituale, sie geben uns Halt und ein Gefühl von Sicherheit. Je länger du Yoga übst, desto besser wird es dir gelingen, über kleine vertraute Bewegungs- und Atemrituale in den Zustand der Entspannung zu kommen. Darum liebe ich mein Yoga: Sobald es auf meiner Matte losgeht, fühle ich mich zuhause.
Surya Namaskar A, Der „Gruß an die Sonne“
Die Sonne steht im Yoga sozusagen als Sinnbild universeller Lebensenergie. Durch das Üben des Sonnengrußes erwecken wir diese Energie in uns. Dies ist unmittelbar zu spüren durch die Wärme, die während des Sonnengrußes im Körper entsteht. Energie ist eigentlich eine Form von Bewegung, von Schwingung. Durch die Bewegung im Großen, also den Bewegungsfluss der verschiedenen Haltungen, die wir im Sonnengruß durchlaufen, entsteht Bewegung in unserem Inneren.
Der Atem ist auch nichts anderes als eine Form von Bewegung. Dadurch, dass wir den Atem synchron mit den durchlaufenen Yogahaltungen fließen lassen, entsteht eine weitere Ebene der Bewegungsenergie, die Atemenergie.
Im Yoga gilt grundsätzlich:
Alle Bewegungen nach oben sind öffnend = wir atmen ein
Alle Bewegungen nach unten sind schließend = wir atmen aus
Der Sonnengruß lässt ein Gefühl von Harmonie und Balance entstehen. Es ist ein fließender Wechsel von Aufrichten und Vorbeugen, Ein- und Ausatmen, Anspannen und Loslassen, oben und unten, ein harmonischer Kreislauf. Vieles in der Natur verläuft in solchen Zyklen und Yoga nutzt dieses Prinzip des Kreislaufs, um uns zu erden, um ein Gefühl von Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit entstehen zu lassen.