Ich habe keine Lust auf Sport, Bewegung ist eher lästig für mich
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Yoga ist ein Übungsweg, eine Reise auf die du dich begibst, von der du nicht weißt, wo sie dich einmal hinführen wird. Dieser Weg umfasst die verschiedensten Sphären deines Lebens: die körperliche Ebene, die Gefühlsebene, deinen Umgang mit dir und anderen Menschen usw.
Jeder Teilnehmer, der regelmäßig Yoga übt, erlebt durch seine Yogapraxis ganz individuelle Auswirkungen. Je nachdem, was deine Ausgangssituation ist, wirkt das Yoga Üben auf dich etwas anders als bei anderen. Jeder Mensch ist durch seinen Lebensalltag, seine bisherigen Erfahrungen geprägt. Der eine hat sich seitdem er erwachsen ist kaum noch bewegt, sein Körper fühlt sich ziemlich steif an. Es fällt ihm schwer, bestimmte Bewegungen auszuführen und er fühlt sich oft verspannt. In seinem Kopf kreisen viele Dinge, die ihn beschäftigen und belasten und es fällt ihm schwer, sich in seiner Freizeit zu entspannen. Ein anderer ist ständig in Bewegung, aber in einer einseitigen, unausgewogenen Weise, die durch seine Arbeit geprägt ist. Dieser Mensch fühlt sich zwar vielleicht beweglich und stark, aber spürt die Auswirkungen der täglichen Belastungen – z.B. Schmerzen in den besonders beanspruchten Teilen seines Körpers.
Je nachdem, was wir in den Topf hineingeben, kommt am Ende auch ein anderes Gericht zustande. Die Vorerfahrungen und Prägungen, die uns unser Leben mitgegeben hat, sind die Zutaten des Yogamenüs.
Was dann beim Yoga Üben mit dir geschieht, welche Wirkungen die Yogapraxis auf dich hat, hängt neben den Zutaten dann von deiner Übungspraxis ab. Das Schöne an Yoga ist, dass sich in derselben Übungsstunde ganz unterschiedliche Töpfe mit verschiedensten Zutaten zubereiten lassen, eigentlich bereiten sie sich sogar ganz alleine zu. Was ich als Yogalehrerin hineingebe an Impulsen, kommt bei jedem Teilnehmer unterschiedlich an und du machst daraus deine eigene, ganz individuell auf deine Bedürfnisse zugeschnittene Praxis. Damit dies gelingt, hilft dir deine genau wie bei jedem anderen Menschen vorhandene natürliche Körper- und Bewegungsintelligenz.
Yoga lässt eben Raum für individuelle Unterschiede und Erfahrungen. Yoga kann dich stark machen und vor Verletzungen schützen, es kann dich aber auch weicher und flexibler machen. Es kann dir helfen, innere und äußere Widerstände zu überwinden, es kann dich mutiger machen, es kann dich aber auch dabei unterstützen, ruhiger und gelassener zu werden, Zwänge zu überwinden. Yoga kann auf viele Weisen wirken, aber nur dann, wenn du regelmäßig übst und dabei bleibst.
Der wichtigste Unterschied zu einer Fitness-Stunde ist sicherlich die besondere Betonung von Achtsamkeit beim Üben. Wir üben Yoga langsam und bewusst, alles geschieht mit voller Aufmerksamkeit, jede Bewegung, die Atmung. Yoga hilft dabei, ins Jetzt zu kommen, im Augenblick der Gegenwart zu sein. Alles was uns ablenken kann, alle Gedanken an den zurückliegenden Tag oder die Dinge, die noch zu erledigen sind, bleiben für die Zeit der Yogapraxis draußen. In meinen Gedanken bin ich ganz in diesem Moment und erlebe, spüre, was die Übungen bei mir verändern, was in meinem Körper und in meinem Geist geschieht.
Warum ist das gut? Weil genau diese Achtsamkeit uns im Alltag fehlt. Wir tun oft Dinge, weil wir sie tun müssen, und oft auf eine Weise, die uns nicht gut tut, aber wir merken es meist nicht. Jedenfalls nicht während wir sie tun, sondern erst später, wenn wir die negativen Auswirkungen unseres Handelns bemerken. Yoga hilft dir dabei die Auswirkungen deines Tuns unmittelbar zu spüren, macht diese für dich erlebbar. Im besten Fall gelingt es dir dann, diese Aufmerksamkeit auch in deinen Alltag hinüber zu tragen und das, was du in deiner Yogapraxis gelernt hast, auch dort im Alltag, bei deiner Arbeit etc. umzusetzen.
Der Antrieb für unsere Atmung wird nicht, wie die meisten denken, durch unseren Bedarf an Sauerstoff geregelt, sondern durch den Kohlendioxid-Pegel im Blut. Über die Atmung befreit sich der Körper vom überschüssigen Kohlendioxid. Das ist interessant. Die Notwendigkeit zum Atmen entsteht also nicht etwa aus dem Bedürfnis nach Aufnahme (von O²), sondern nach Abgabe (von CO²). Der Abgabe bzw. Ausatmung von CO² entspricht mechanisch gesehen die Entspannung des Haupt-Atemmuskels, des Zwerchfells. Die Fähigkeit vollständig ausatmen zu können korreliert demnach mit der Fähigkeit des Loslassens und Entspannens. In unserem hektischen Alltag lassen wir oft nicht richtig los und atmen nur sehr flach und somit unvollständig aus. Dadurch vermindert sich auch die Kapazität der Lungen zur anschließenden Aufnahme von Sauerstoff, was sich auf unsere Lebensenergie und unsere Gesundheit auswirkt.
Deshalb nutzen wir im Yoga das bewusste Atmen, um darüber in einen Zustand der Entspannung zu gelangen. Wenn du dich achtsam und fokussiert deiner Atmung widmest, wirst du darüber lernen, deine Fähigkeit zum Loslassen und Entspannen zu verbessern.
Mit dem Begriff Asana bezeichnen wir im Yoga die Körperübungen wir z.B. den herabschauenden Hund oder den bekannten Lotussitz. Dabei geht es nicht darum, eine bestimmte äußere Haltung zu „erreichen“, also den Körper in eine bestimmte Haltung, eine Zielposition hineinzubringen, wie es viele Yogaanfänger, aber auch manche langjährig Praktizierende denken, die die Asanas in erster Linie als sportliche Übungen betrachten.
Die Wurzel des Wortes Asana bedeutet ‘Sitz‘. Asana könnte man übersetzen etwa mit ‘Sich niederlassen oder sich einrichten in‘. Die Yoga-Asanas repräsentieren die verschiedenen Zustände, zwischen denen unser Leben sich abspielt. Das Üben der Asanas soll uns vom äußerlichen Betrachten einer (starren) Haltung zum innerlichen Fühlen eines (wandelbaren) Zustands führen. Das klingt so sehr abstrakt, meint aber eigentlich nur, dass alles im Leben sich beständig wandelt und im Fluss befindet und Yoga uns dabei hilft, diese Veränderlichkeit bewusst wahrzunehmen und zu gestalten. Wir fließen von einer Asana zur nächsten, verweilen ein wenig dort, vertiefen sie durch unseren Atem, spüren was passiert, beobachten unsere Reaktion und fließen schließlich weiter zur nächsten.
Wir kennen alle den Spruch: „Du bist was du isst“. Man könnte ihn yogisch abwandeln zu: „Du bist was du wahrnimmst, was du fühlst, was du atmest und das in jedem Augenblick wieder anders.“ Alles befindet sich im Fluss und Yoga hilft dir, flexibel und durchlässig zu bleiben oder überhaupt erst zu werden. Denn nur dann bist du den Schwierigkeiten des Lebens gewachsen. Auch ein Bootsmast ist nicht starr, denn dann würde er brechen. „Haltung“ ist ein Zustand, der Stabilität und Nachgiebigkeit vereint. Und diesen wollen wir durch das Üben der Asanas erreichen.
Ich habe dir eben erläutert, wie wir im Yoga über das Üben von Asanas und bewusstes Atmen in den Fluss kommen. Wie bei fast allem im Leben fällt es uns leichter, Neues zu erlernen und in unseren Alltag bzw. unsere Gewohnheiten zu integrieren, wenn wir es in Rituale verpacken.
Im Yoga gibt es verschiedene Rituale: Am Beginn einer Yogastunde üben wir zur Ruhe zu kommen über einfache Wahrnehmungs- und Atemübungen. Wir mobilisieren unsere Gelenke über kleine Bewegungsrituale. All dies tun wir immer wieder zu Beginn einer Stunde. Unser Bewusstsein nimmt diese kleinen Rituale nach einer Weile als vertraut wahr und verbindet damit sogleich bestimmte Wirkungen, die wir jedes Mal beim Üben erfahren. So reicht mit der Zeit schon das Wissen, dass jetzt eines dieser Rituale folgt, und sofort gelangen wir in den – nun schon vertrauten und gewohnten – Zustand.
Wir Menschen lieben Rituale, sie geben uns Halt und ein Gefühl von Sicherheit. Je länger du Yoga übst, desto besser wird es dir gelingen, über kleine vertraute Bewegungs- und Atemrituale in den Zustand der Entspannung zu kommen. Darum liebe ich mein Yoga: Sobald es auf meiner Matte losgeht, fühle ich mich zuhause.
Die Sonne steht im Yoga sozusagen als Sinnbild universeller Lebensenergie. Durch das Üben des Sonnengrußes erwecken wir diese Energie in uns. Dies ist unmittelbar zu spüren durch die Wärme, die während des Sonnengrußes im Körper entsteht. Energie ist eigentlich eine Form von Bewegung, von Schwingung. Durch die Bewegung im Großen, also den Bewegungsfluss der verschiedenen Haltungen, die wir im Sonnengruß durchlaufen, entsteht Bewegung in unserem Inneren.
Der Atem ist auch nichts anderes als eine Form von Bewegung. Dadurch, dass wir den Atem synchron mit den durchlaufenen Yogahaltungen fließen lassen, entsteht eine weitere Ebene der Bewegungsenergie, die Atemenergie.
Der Sonnengruß lässt ein Gefühl von Harmonie und Balance entstehen. Es ist ein fließender Wechsel von Aufrichten und Vorbeugen, Ein- und Ausatmen, Anspannen und Loslassen, oben und unten, ein harmonischer Kreislauf. Vieles in der Natur verläuft in solchen Zyklen und Yoga nutzt dieses Prinzip des Kreislaufs, um uns zu erden, um ein Gefühl von Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit entstehen zu lassen.
Unsere Wirbelsäule ähnelt ein wenig dem Mast eines Bootes – sie ist stabil und doch flexibel. Sie ist die Aufhängung für den Rumpf, den zentralen Teil unseres Körpers. Außerdem trägt sie unseren schweren Kopf, der uns den Überblick über unsere Umwelt erlaubt und in Austausch mit ihr tritt. Viele unserer Reaktionen auf die Wahrnehmung unserer Umwelt und unserer Mitmenschen werden von hier aus gesteuert.
Da die Wirbelsäule unseren Rumpf nicht im Zentrum durchläuft, gibt es ein starkes Übergewicht nach vorne. Wenn unsere Wirbelsäule nicht ihre Doppel-S-Form hätte, könnten wir uns nicht aufrecht halten. Das Gewicht unseres Rumpfes würde uns unweigerlich nach vorne kippen lassen. Unter dem Gesichtspunkt der Statik ist es also vorteilhaft, dass unsere Wirbelsäule diese Krümmungen aufweist.
In Hinblick auf ihre Stabilität ist die Form der Wirbelsäule aber eher ungünstig und nur dem Kompromiss der notwendigen Statik geschuldet. Für die Stabilität der Wirbelsäule wäre es tatsächlich besser, wenn sie mehr einem Bootsmast ähneln würde. Stell dir einmal vor, ein Architekt würde ein Gebäude konstruieren, das Krümmungen analog zu unserer Wirbelsäule hätte – er wäre wahrscheinlich seinen Auftrag ziemlich schnell los. Diese Stellen der starken Krümmung, insbesondere die sogenannten Lordosen an der Lenden- und Halswirbelsäule, nenne ich daher Sollbruchstellen. Dort erleiden wir am häufigsten Bandscheibenvorfälle oder Vorwölbungen.
Unsere Wirbelsäule muss uns jedoch nicht nur Halt geben, sie muss uns auch Bewegung ermöglichen. Und sie muss flexibel auf die Kräfte reagieren können, die bei Bewegungen auf sie einwirken.
Unsere Wirbelsäule ist schon eine geniale Konstruktion. Dadurch, dass sie in so viele, einzeln gegeneinander verschiebliche Wirbelkörper aufgeteilt ist, erreicht sie ihre hohe Flexibilität. Leider nutzen wir die Bewegungsmöglichkeiten unserer Wirbelsäule im Alltag nicht annähernd aus und so geschieht auch mit der Wirbelsäule, worauf unser Körper evolutionär geprägt ist: Alles was nicht genutzt wird, wird aus der Sicht unseres Körpers auch nicht benötigt und kostet ihn nur Energie, um es funktionsfähig zu halten. Daher baut der Körper alles an Funktionen und Fähigkeiten ab oder schränkt ein, was wir nicht regelmäßig nutzen. Unser Leben, unser Alltag, unsere Gewohnheiten beeinflussen wie wir aussehen, wie stark, beweglich, wie gesund wir sind, wie wir uns fühlen und noch vieles mehr. Daher ist es wichtig, dass wir uns bewegen, um die Fähigkeiten unserer Wirbelsäule aufrechtzuerhalten.
Manche Yogalehrer betrachten sogar die Aufrichtung der Wirbelsäule als eine weitere Bewegungsrichtung.
Wir können diese Richtungen auch miteinander kombinieren, dann werden unsere Bewegungen dreidimensional. Eigentlich sind (fast) alle natürlichen Bewegungen dreidimensional, was damit zusammenhängt, dass unser Körper nicht für das aufrechte Stehen, sondern für die Bewegung nach vorn, das Laufen konstruiert ist.
Der stabile aufrechte Stand ist sozusagen der Ausgangs- oder Startpunkt für jede Bewegung in eine oder mehrere der vier Richtungen. Dies ist nicht selbstverständlich. Schau dir einmal aufmerksam deine Mitmenschen in deiner Umgebung an, wie sie stehen. Niemand steht im Alltag wirklich aufrecht. Manche verlagern ihr Gewicht mehr auf eine Seite bzw. auf ein Bein, manche schieben ihr Becken nach vorne, manchen lassen die Schultern nach vorne hängen und dadurch bedingt rundet sich auch ihr oberer Rücken.
Nicht jede dieser Stand-Gewohnheiten ist grundsätzlich als schlecht oder schädlich anzusehen. Wenn du dich jedoch sehr häufig und sehr lange in solche Ausweichhaltungen begibst, kann dies zu Verspannungen, Schmerzen, zu Dysbalancen der stabilisierenden Muskeln führen. Noch schlimmer ist es, falls du eine sitzende Tätigkeit ausübst und den Großteil deines Tages im Sitzen verbringst. Dann wird deine Wirbelsäule über einen langen Zeitraum in einer Haltung fixiert, was zu starken Spannungen in den die Wirbelsäule haltenden und ausrichtenden Muskeln führt. Durch solche Muskelspannungen sowie die Einwirkungen des Körpergewichts und der Schwerkraft können dann auch z.B. Nerven komprimiert werden oder eben auch deine Bandscheiben einseitig belastet werden.
Die beste Möglichkeit, solchen Problemen vorzubeugen bzw. diese zu beseitigen ist, deine Wirbelsäule in allen ihren Bewegungsrichtungen zu trainieren. Genau das tun wir im Yoga. Und zwar weitaus gründlicher und intensiver als in den meisten Sportarten. Yoga hilft deiner Wirbelsäule, ihre natürliche Flexibilität zurückzugewinnen und zu erhalten. Dadurch, dass du in einer Yogastunde sämtliche Bewegungsrichtungen intensiv übst, werden die entsprechenden Muskeln wieder flexibel. Gleichzeitig trainierst du auch deine Muskelkraft, damit dein Muskelkorsett seine schützende Funktion richtig ausüben kann.
Der stabile aufrechte Stand bringt uns wie erläutert in ein harmonisches Miteinander aller beteiligten Körperstrukturen, so dass alle Kräfte möglichst optimal ausbalanciert sind und der Körper nicht einseitig belastet wird. Allerdings ist ja nicht Sinn und Zweck unseres Daseins, den ganzen Tag stabil und aufrecht irgendwo herumzustehen. Von Natur aus ist unser Körper für die Bewegung gemacht. Bei Bewegungen kommt eine weitere Dimension ins Spiel. Insbesondere bei unserer wichtigsten Bewegungstätigkeit, der Fortbewegung, wird dies besonders deutlich.
Sobald wir uns vom Stand in das Gehen hineinbewegen, muss der Körper mehrere Bewegungsachsen verbinden, damit wir überhaupt vorwärtskommen. Jede dreidimensionale Bewegung vereint axiale Bewegung mit Rotation. Das macht unsere Bewegungen so komplex. Beim Gehen z.B. bewegt sich unser Becken in rotierenden, spiraligen Achten. Dies ist uns natürlich nicht bewusst, wenn wir gehen. Die Bewegungen beim Laufen geschehen von selbst ohne dass wir sie steuern müssen. Allerdings spielt uns auch hier unsere einseitige Alltagsbelastung einen Streich.
Es gibt natürlich nicht die eine „optimale“ Art zu Gehen. Jedoch sind einige solcher „Gangeigenheiten“ wiederum ein Zeichen von Dysbalancen im Körper. Dies können unflexible Muskeln sein, die eine harmonische Gangart verhindern, weil sie bestimmte Bewegungen einschränken, es könne auch Muskelschwächen sein, aufgrund derer ein Mensch sein Becken auf der Schwungbeinseite gar nicht mehr richtig anheben kann.
Beim Yoga üben wir zwar nicht das Gehen, das ist aber auch gar nicht notwendig. Eine regelmäßige Yogapraxis wird dir bei fast allen Anforderungen, die dein Leben, dein Alltag an deinen Körper stellt, helfen und dich darin unterstützen, diese besser zu meistern. Die Yoga-Haltungen und insbesondere die Verbindung der einzelnen Haltungen zu einem Bewegungsfluss bringt deinen Körper in alle nur erdenklichen Bewegungsmöglichkeiten hinein und du lernst diese wieder ganz neu. Du wirst mit der Zeit und mit einer regelmäßigen Übungspraxis flexibler, stärker, lernst deinen Körper neu kennen und schätzen. Und vor allem lernst du auch, auf die Signale deines Körpers zu hören. Du wirst immer feiner und genauer wahrnehmen können, wie es deinem Körper geht, was er gerade benötigt und dich darauf einstellen können.
Tadasana – Die Berghaltung
Es gibt nicht die einzig richtige Haltung, genauso wie es auch keine falsche Haltung gibt. Deine Haltung zu einem bestimmten Zeitpunkt spiegelt vieles wieder: Deine Körpererfahrungen, die du bislang im Leben gemacht hast, seelische Erfahrungen und Einflüsse, die dich geprägt haben und nach wie vor prägen und vieles mehr. Deine Haltung kannst du also als Spiegel deines Lebens, deiner Erfahrungen, deiner Einstellungen etc. betrachten. Nicht umsonst benutzen wir das Wort Haltung auch in diesem metaphorischen Sinne für ‚Einstellung gegenüber etwas‘.
Die Haltung eines Menschen können wir also auch als einen Spiegel seiner selbst betrachten. Sie zeigt uns Dinge über den Menschen, die wir so nicht wissen oder wahrnehmen. Wenn du an deiner Haltung arbeitest, sie bewusst veränderst, bewirkst du nicht nur eine Änderung auf der körperlichen Ebene. Dies wirst du spüren je länger du Yoga übst. Eine regelmäßige Yogapraxis bewirkt Veränderungen auf vielen Ebenen. Deine Körperhaltung wird sich sicher verbessern, wahrscheinlich auch deine Einstellung zu dir selbst und zu anderen, dein Umgang mit Schwierigkeiten in deinem Leben, körperlichen wie seelischen.
Wenn deine Yogalehrerin dir Haltungs-„Anweisungen“ gibt, dann sind das Hinweise, Hilfen, wie du eine Yogahaltung besser verstehen kannst, wie du dich in die Haltung hineinarbeiten und in der Haltung selber weiterarbeiten kannst. Es sind keine Vorschriften, was du tun musst, um diese Haltung „richtig“ auszuführen. Deshalb sieht eine Yogahaltung auch bei jedem anders aus. Jeder Übende macht auf seinem Weg in die Haltung, beim Verharren und Üben in der Haltung wie auch auf dem Weg aus der Haltung heraus seine ganz eigenen Erfahrungen. Dein Körper ist eben einzigartig und deshalb ist auch deine Übungspraxis völlig einzigartig.
Es gibt immer wieder Berichte in der Presse über Yogaübende, die sich durch Yoga verletzt haben. Daraus wird dann leicht geschlossen, dass Yoga nicht gesund, sondern sogar ziemlich gefährlich sei. Natürlich kann es auch mal zu Verletzungen kommen beim Yoga. Aber nicht, weil eine Yogahaltung ungesund ist und dem Übenden per se schadet.
Wenn Verletzungen im Yoga geschehen, dann meist, weil Teilnehmer sich von etwas leiten lassen, dem wir eigentlich im Yoga entgegenwirken wollen: dem Ehrgeiz, unbedingt eine bestimmte Haltung erreichen zu wollen. Gerade Yogaanfänger, die natürlich mehr verletzungsgefährdet sind, weil ihr Körper noch gar nicht richtig auf die Übungen vorbereitet ist, sind oft von der falschen Vorstellung geprägt, es ginge beim Yoga darum, bestimmte Haltungen zu erreichen. Sie gehen von der äußeren Form einer Yogahaltung aus und lassen sich dabei von Bildern im Internet oder in Zeitschriften leiten: Eine Yogahaltung hat so und so auszusehen, und erst wenn sie bei mir auch so aussieht, dann habe ich die Haltung, sprich das Ziel erreicht.
Genau darum geht es im Yoga nicht. Hier hilft uns der schöne Spruch „Der Weg ist das Ziel“ weiter. Nicht eine bestimmte Endposition gilt es zu erreichen, sondern den Weg in die Richtung dieser Position, dieser Haltung zu beschreiten. Wo auf diesem Weg wir uns befinden ist individuell extrem unterschiedlich. Auch sind wir jeden Tag an einem anderen Punkt dieses Weges, je nachdem wie wir uns gerade fühlen. Nicht die Endposition einer Haltung bringt die Wirkung dieser Haltung zur vollen Entfaltung, nein: der Weg dorthin ist es.
Das gilt es im Yoga zu entdecken: Die Wirkung einer Yogahaltung beginnt in dem Moment, in dem ich bewusst und achtsam den Weg in die Haltung hinein beginne. Das ist es, was wir mit dem Üben von Yogahaltungen bewirken wollen: die Wirkungen der verschiedenen Haltungen beim Üben erleben, nicht eine Ziel- oder Endposition erreichen. Dieses Missverständnis muss jeder Yoga-Übende am Anfang seines Übungsweges erst mal überwinden.
Dein Körper ist erstmal so wie er jetzt ist ganz wunderbar. Es ist der Körper, der dir jetzt gegeben ist. Wenn du Yoga übst, begibst du dich auf eine Entdeckungsreise und je länger du den Yogaweg beschreitest, desto mehr Erfahrungen wirst du machen. Dein Körper wird sich verändern, deine Haltung, deine Einstellungen werden sich verändern. Du wirst aber kein besserer Yogi, wenn du in der Lage bist, bestimmte Yogahaltungen einzunehmen. Der fortgeschrittenste Yogi ist derjenige, der gelernt hat, die Bedürfnisse seines Körpers und seiner Seele zu erkennen und sein Verhalten achtsam daran auszurichten.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir gar nicht mehr ehrgeizig sein sollen und keine Ziele haben, wenn wir Yoga üben. Ehrgeiz ist eine wichtige Triebfeder für unser Handeln, für unsere Entwicklung. Im Yoga lernst du jedoch, deinen Ehrgeiz und deine Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen. Wenn dir dies gelingt, dann kommt deine natürliche Körperintelligenz zur vollen Entfaltung und du wirst dich beim Yoga Üben fordern, aber nicht überfordern. Jeder Mensch verfügt über Mechanismen des Selbstschutzes, die verhindern, dass er sich überfordert. Manche Menschen hören nicht auf ihre innere Stimme, die ihnen sagt, was gut für sie ist und was nicht. Dann verletzen sie sich auch beim Yoga.
Im Yoga sprechen wir von Vinyasa, wenn wir die Verbindung der einzelnen Haltungen zu einem Bewegungsfluss bezeichnen. Das bekannteste der Yogasutren von Patanjali spiegelt diesen Zusammenhang von Stabilität und Flexibilität wider: sthira sukham asanam. Das bedeutet eine Yogahaltung sollte gleichzeitig stabil und leicht sein. Ich verstehe dieses Sutra so, dass eine Haltung immer durchlässig ist, sie ist nicht statisch, auch wenn sie von außen unbewegt erscheint.
Die stabile Wirbelsäule bildet den Anker, aber auf energetischer Ebene findet auch in einer Haltung Bewegung statt – Energiefluss, der die Lebensenergie, das Prana durch den Körper leitet. Stabil können wir nur sein, wenn wir den Energiefluss nicht unterbrechen. In diesem Sinne ist jede Haltung immer auch Bewegung.