Ich habe keine Lust auf Sport, Bewegung ist eher lästig für mich
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Yoga ist ein Übungsweg, eine Reise auf die du dich begibst, von der du nicht weißt, wo sie dich einmal hinführen wird. Dieser Weg umfasst die verschiedensten Sphären deines Lebens: die körperliche Ebene, die Gefühlsebene, deinen Umgang mit dir und anderen Menschen usw.
Jeder Teilnehmer, der regelmäßig Yoga übt, erlebt durch seine Yogapraxis ganz individuelle Auswirkungen. Je nachdem, was deine Ausgangssituation ist, wirkt das Yoga Üben auf dich etwas anders als bei anderen. Jeder Mensch ist durch seinen Lebensalltag, seine bisherigen Erfahrungen geprägt. Der eine hat sich seitdem er erwachsen ist kaum noch bewegt, sein Körper fühlt sich ziemlich steif an. Es fällt ihm schwer, bestimmte Bewegungen auszuführen und er fühlt sich oft verspannt. In seinem Kopf kreisen viele Dinge, die ihn beschäftigen und belasten und es fällt ihm schwer, sich in seiner Freizeit zu entspannen. Ein anderer ist ständig in Bewegung, aber in einer einseitigen, unausgewogenen Weise, die durch seine Arbeit geprägt ist. Dieser Mensch fühlt sich zwar vielleicht beweglich und stark, aber spürt die Auswirkungen der täglichen Belastungen – z.B. Schmerzen in den besonders beanspruchten Teilen seines Körpers.
Je nachdem, was wir in den Topf hineingeben, kommt am Ende auch ein anderes Gericht zustande. Die Vorerfahrungen und Prägungen, die uns unser Leben mitgegeben hat, sind die Zutaten des Yogamenüs.
Was dann beim Yoga Üben mit dir geschieht, welche Wirkungen die Yogapraxis auf dich hat, hängt neben den Zutaten dann von deiner Übungspraxis ab. Das Schöne an Yoga ist, dass sich in derselben Übungsstunde ganz unterschiedliche Töpfe mit verschiedensten Zutaten zubereiten lassen, eigentlich bereiten sie sich sogar ganz alleine zu. Was ich als Yogalehrerin hineingebe an Impulsen, kommt bei jedem Teilnehmer unterschiedlich an und du machst daraus deine eigene, ganz individuell auf deine Bedürfnisse zugeschnittene Praxis. Damit dies gelingt, hilft dir deine genau wie bei jedem anderen Menschen vorhandene natürliche Körper- und Bewegungsintelligenz.
Yoga lässt eben Raum für individuelle Unterschiede und Erfahrungen. Yoga kann dich stark machen und vor Verletzungen schützen, es kann dich aber auch weicher und flexibler machen. Es kann dir helfen, innere und äußere Widerstände zu überwinden, es kann dich mutiger machen, es kann dich aber auch dabei unterstützen, ruhiger und gelassener zu werden, Zwänge zu überwinden. Yoga kann auf viele Weisen wirken, aber nur dann, wenn du regelmäßig übst und dabei bleibst.
Der wichtigste Unterschied zu einer Fitness-Stunde ist sicherlich die besondere Betonung von Achtsamkeit beim Üben. Wir üben Yoga langsam und bewusst, alles geschieht mit voller Aufmerksamkeit, jede Bewegung, die Atmung. Yoga hilft dabei, ins Jetzt zu kommen, im Augenblick der Gegenwart zu sein. Alles was uns ablenken kann, alle Gedanken an den zurückliegenden Tag oder die Dinge, die noch zu erledigen sind, bleiben für die Zeit der Yogapraxis draußen. In meinen Gedanken bin ich ganz in diesem Moment und erlebe, spüre, was die Übungen bei mir verändern, was in meinem Körper und in meinem Geist geschieht.
Warum ist das gut? Weil genau diese Achtsamkeit uns im Alltag fehlt. Wir tun oft Dinge, weil wir sie tun müssen, und oft auf eine Weise, die uns nicht gut tut, aber wir merken es meist nicht. Jedenfalls nicht während wir sie tun, sondern erst später, wenn wir die negativen Auswirkungen unseres Handelns bemerken. Yoga hilft dir dabei die Auswirkungen deines Tuns unmittelbar zu spüren, macht diese für dich erlebbar. Im besten Fall gelingt es dir dann, diese Aufmerksamkeit auch in deinen Alltag hinüber zu tragen und das, was du in deiner Yogapraxis gelernt hast, auch dort im Alltag, bei deiner Arbeit etc. umzusetzen.
Der Antrieb für unsere Atmung wird nicht, wie die meisten denken, durch unseren Bedarf an Sauerstoff geregelt, sondern durch den Kohlendioxid-Pegel im Blut. Über die Atmung befreit sich der Körper vom überschüssigen Kohlendioxid. Das ist interessant. Die Notwendigkeit zum Atmen entsteht also nicht etwa aus dem Bedürfnis nach Aufnahme (von O²), sondern nach Abgabe (von CO²). Der Abgabe bzw. Ausatmung von CO² entspricht mechanisch gesehen die Entspannung des Haupt-Atemmuskels, des Zwerchfells. Die Fähigkeit vollständig ausatmen zu können korreliert demnach mit der Fähigkeit des Loslassens und Entspannens. In unserem hektischen Alltag lassen wir oft nicht richtig los und atmen nur sehr flach und somit unvollständig aus. Dadurch vermindert sich auch die Kapazität der Lungen zur anschließenden Aufnahme von Sauerstoff, was sich auf unsere Lebensenergie und unsere Gesundheit auswirkt.
Deshalb nutzen wir im Yoga das bewusste Atmen, um darüber in einen Zustand der Entspannung zu gelangen. Wenn du dich achtsam und fokussiert deiner Atmung widmest, wirst du darüber lernen, deine Fähigkeit zum Loslassen und Entspannen zu verbessern.
Mit dem Begriff Asana bezeichnen wir im Yoga die Körperübungen wir z.B. den herabschauenden Hund oder den bekannten Lotussitz. Dabei geht es nicht darum, eine bestimmte äußere Haltung zu „erreichen“, also den Körper in eine bestimmte Haltung, eine Zielposition hineinzubringen, wie es viele Yogaanfänger, aber auch manche langjährig Praktizierende denken, die die Asanas in erster Linie als sportliche Übungen betrachten.
Die Wurzel des Wortes Asana bedeutet ‘Sitz‘. Asana könnte man übersetzen etwa mit ‘Sich niederlassen oder sich einrichten in‘. Die Yoga-Asanas repräsentieren die verschiedenen Zustände, zwischen denen unser Leben sich abspielt. Das Üben der Asanas soll uns vom äußerlichen Betrachten einer (starren) Haltung zum innerlichen Fühlen eines (wandelbaren) Zustands führen. Das klingt so sehr abstrakt, meint aber eigentlich nur, dass alles im Leben sich beständig wandelt und im Fluss befindet und Yoga uns dabei hilft, diese Veränderlichkeit bewusst wahrzunehmen und zu gestalten. Wir fließen von einer Asana zur nächsten, verweilen ein wenig dort, vertiefen sie durch unseren Atem, spüren was passiert, beobachten unsere Reaktion und fließen schließlich weiter zur nächsten.
Wir kennen alle den Spruch: „Du bist was du isst“. Man könnte ihn yogisch abwandeln zu: „Du bist was du wahrnimmst, was du fühlst, was du atmest und das in jedem Augenblick wieder anders.“ Alles befindet sich im Fluss und Yoga hilft dir, flexibel und durchlässig zu bleiben oder überhaupt erst zu werden. Denn nur dann bist du den Schwierigkeiten des Lebens gewachsen. Auch ein Bootsmast ist nicht starr, denn dann würde er brechen. „Haltung“ ist ein Zustand, der Stabilität und Nachgiebigkeit vereint. Und diesen wollen wir durch das Üben der Asanas erreichen.
Ich habe dir eben erläutert, wie wir im Yoga über das Üben von Asanas und bewusstes Atmen in den Fluss kommen. Wie bei fast allem im Leben fällt es uns leichter, Neues zu erlernen und in unseren Alltag bzw. unsere Gewohnheiten zu integrieren, wenn wir es in Rituale verpacken.
Im Yoga gibt es verschiedene Rituale: Am Beginn einer Yogastunde üben wir zur Ruhe zu kommen über einfache Wahrnehmungs- und Atemübungen. Wir mobilisieren unsere Gelenke über kleine Bewegungsrituale. All dies tun wir immer wieder zu Beginn einer Stunde. Unser Bewusstsein nimmt diese kleinen Rituale nach einer Weile als vertraut wahr und verbindet damit sogleich bestimmte Wirkungen, die wir jedes Mal beim Üben erfahren. So reicht mit der Zeit schon das Wissen, dass jetzt eines dieser Rituale folgt, und sofort gelangen wir in den – nun schon vertrauten und gewohnten – Zustand.
Wir Menschen lieben Rituale, sie geben uns Halt und ein Gefühl von Sicherheit. Je länger du Yoga übst, desto besser wird es dir gelingen, über kleine vertraute Bewegungs- und Atemrituale in den Zustand der Entspannung zu kommen. Darum liebe ich mein Yoga: Sobald es auf meiner Matte losgeht, fühle ich mich zuhause.
Die Sonne steht im Yoga sozusagen als Sinnbild universeller Lebensenergie. Durch das Üben des Sonnengrußes erwecken wir diese Energie in uns. Dies ist unmittelbar zu spüren durch die Wärme, die während des Sonnengrußes im Körper entsteht. Energie ist eigentlich eine Form von Bewegung, von Schwingung. Durch die Bewegung im Großen, also den Bewegungsfluss der verschiedenen Haltungen, die wir im Sonnengruß durchlaufen, entsteht Bewegung in unserem Inneren.
Der Atem ist auch nichts anderes als eine Form von Bewegung. Dadurch, dass wir den Atem synchron mit den durchlaufenen Yogahaltungen fließen lassen, entsteht eine weitere Ebene der Bewegungsenergie, die Atemenergie.
Der Sonnengruß lässt ein Gefühl von Harmonie und Balance entstehen. Es ist ein fließender Wechsel von Aufrichten und Vorbeugen, Ein- und Ausatmen, Anspannen und Loslassen, oben und unten, ein harmonischer Kreislauf. Vieles in der Natur verläuft in solchen Zyklen und Yoga nutzt dieses Prinzip des Kreislaufs, um uns zu erden, um ein Gefühl von Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit entstehen zu lassen.
Jeder Yogi kennt das: Es gibt Asanas, auf die freue ich mich schon vor der Stunde und bin enttäuscht, wenn die Yogalehrerin diese Lieblings-Asana mal nicht in ihre Stunde einbaut.
Und es gibt andere Asanas, die würde ich freiwillig so gut wie nie üben. Wenn ich selber unterrichte, sind diese Lieblings-Asanas natürlich auch genau jene, die besonders häufig in meinen Flows vorkommen.
Warum ist das so? Na gut, einige Haltungen fallen mir einfach schwer, weil mein Körper scheinbar einfach nicht für sie geschaffen ist. Meine Hüften werden es mir nie gestatten, den Lotussitz oder andere extreme hüftöffnende Haltungen einzunehmen. Das ist der eine Aspekt: dieser Leistungsanspruch, der auch beim Yoga sich immer wieder nach vorne drängelt, obwohl ich doch auch meinen Teilnehmern immer wieder erkläre: „Yoga ist kein Wettbewerb“. Ja ja, Anspruch und Wirklichkeit klaffen ja bekanntlich doch immer weit auseinander.
Im Laufe der Jahre hat sich meine eigene Yogapraxis wie auch mein Yogaunterricht immer weiter verändert. Einerseits hat sich mein Körper verändert, ich bin beweglicher geworden. Andererseits hat sich auch mein Körpergefühl stark verbessert. Ich fühle mich nicht nur wohler in meinem Körper, ich habe auch ein viel feineres Gespür für alle seine einzelnen Teile. Ich spüre die Muskeln und ihr Zusammenspiel besser, ich nehme mein Bindegewebe wahr, das mit seinen vielen Nervenendigungen alle möglichen Empfindungen und Wahrnehmungen durch den Körper leitet.
Nach jahrelangem Üben hat sich natürlich auch mein Gefühl für die Yogahaltungen stark verbessert. Ich fühle genauer die Muskeln, mit denen die Haltung sich aufbaut. Ich kann die Muskelspannung feiner differenzieren, die Muskelarbeit besser koordinieren. Jede Bewegung weist inzwischen einen hohen Grad an Routine auf.
Natürlich führt dies dazu, dass ich die Haltungen, die ich aus diesen Gründen inzwischen besonders gut einnehmen kann, auch besonders gerne übe. Davon gibt es einige, die ich sicherlich auch als Lieblings-Asana bezeichnen würde.
Wichtig ist mir außerdem, dass eine Asana möglichst viele unterschiedliche Elemente in sich vereint. Damit meine ich, dass sie z.B. mehrere Bewegungsrichtung aufweist, vielleicht sogar gegensätzliche in der unterschiedlichen Gelenken. Je komplexer eine Asana ist, desto mehr gibt es darin zu entdecken und zu erspüren. Auch beim Unterrichten sind die spannendsten Haltungen jene, bei denen ich meinen Yogaschülern möglichst viele verschiedene Wahrnehmungen ihres Körpers vermitteln kann.
Eine Lieblings-Asana ist für mich das Dreieck – Trikonasana.
Das Dreieck ist gleichzeitig ein Twist, ein Hüftöffner, eine Seitbeuge, eine leichte Rückbeuge, erfordert Balance und Koordination, Alle Körperteile müssen gleichzeitig maximal gestreckt werden und trotzdem durchlässig bleiben. Die Haltung erfordert gleichzeitig Kraft und Leichtigkeit.
Dies alles umzusetzen oder auch für die Schüler anzuleiten ist nicht leicht. Aber es macht die Haltung für mich so reizvoll. Ich kann immer wieder neue Aspekte der Asana entdecken, sowohl bei der eigenen Übungspraxis wie auch beim unterrichten.
So oft ich Trikonasana auch schon geübt habe – die Haltung ist jedes Mal wieder neu und anders. Immer tiefer darf ich eintauchen in ihre Geheimnisse, die sich bei jedem Üben näher erschließen.
Eigentlich ist es mein Anspruch, solchen Vorlieben nicht zu häufig nachzugeben, aber das ist wohl doch allzu menschlich. Manchmal merke ich wie ich von einer Lieblings-Asana zur nächsten weiterfließen möchte. Daher empfinde ich es als besonders wichtig, Klassen bei anderen Yogalehrern zu besuchen.
Früher habe ich regelmäßig Klassen bei den gleichen Lehrern besucht und war daher immer wieder mit deren Lieblings-Asanas und Lieblings-Vinyasas konfrontiert. Das war eine wichtige Erfahrung und auch immer wieder eine Herausforderung für mich. Vor manchen Asanas hatte ich im Vorhinein schon eine Aversion, weil sie ständig in jeder Stunde vorkamen und gerade diese mir besonders schwer fielen. Aber genau diese Herausforderung war eine wichtige Lernerfahrung für mich. Heute schaffe ich es leider nur noch selten andere Klassen zu besuchen.
Ich habe lange gebraucht, bis ich mich an den Kopfstand herangewagt habe. Ich bin eher ein vorsichtiger Mensch, versuche gefährliche Situationen zu vermeiden. Daher war der Kopfstand anfangs für mich unvorstellbar, zumindest frei im Raum stehend. Es dauerte über ein halbes Jahr, bis ich mich das erste Mal an der Wand traute, die Füße vom Boden zu heben. Heute gehört der Kopfstand auch zu meinen Lieblings-Asanas und inzwischen habe ich sogar eine weitere Variation erlernt, um hineinzukommen.
Vom Kopfstand gibt es zwei Varianten – den klassischen Yoga-Kopfstand und den Drei-Punkt-Kopfstand.
Jeder Yoga-Übende findet die eine oder die andere Variante einfacher zu üben. Beim Drei-Punkt-Kopfstand lastet viel mehr Gewicht auf der Halswirbelsäule, dafür ist es leichter, die Balance zu halten.
Der klassische Yogakopfstand ist instabiler, dafür verteilt sich das Körpergewicht besser, da ein Großteil vom Schultergürtel getragen wird. Es ist jedoch viel schwieriger, die Beine nach oben zu bringen. Es gibt diesen Moment, wo man die Beine vom Boden löst und nacheinander angewinkelt an den Bauch heranzieht. Dies ist der Moment der Wahrheit. Wenn er überwunden und bewältigt ist, erschließt sich das Wesen des Kopfstands.
Eine andere Möglichkeit zum Stehen zu gelangen ist es, zuerst ein Bein nach oben zu strecken wie im stehenden Spagat. Wenn die Beweglichkeit vorhanden ist und das Bein weit genug nach oben kommt, dann gelingt es leicht, das andere Bein vom Boden zu lösen und nach oben zu heben. Diese Variante ist sehr elegant und angenehm.
Seit ich den Kopfstand mühelos stehe ist er zu einer Lieblings-Asana geworden. Ich habe die Angst fast völlig überwunden, ein kleiner Rest ist noch geblieben – die Ungewissheit doch einmal hinten überzufallen. Aber deshalb üben wir ja auch Yoga – um ins Ungewisse vorzudringen, um uns selbst dadurch zu verändern und weiterzuentwickeln.
Dies wäre das Ideal in der Yoga-Praxis. Wenn jede Asana mit der Zeit für den Schüler sich erschließen würde, so dass er Freude beim Üben genauso wie bei allen anderen Haltungen empfindet. Leider ist das Wunschdenken, da es immer einzelne Haltungen geben wird, gegen die der Körper sich sperrt. Wir sind eben alle geprägt durch unsere Lebenserfahrungen wie auch die ererbten Voraussetzungen und Bewegungs-Vorerfahrungen.
So bleibt es für jeden Yogi eine fortwährende Aufgabe, auch an den ungeliebten Haltungen zu üben und die vorhandenen eigenen Beschränkungen zu akzeptieren und beständig daran weiterzuarbeiten.
Veränderung kann nur dann stattfinden, wenn die Gegenwart akzeptiert und die eigenen Beschränkungen als Tatsache ins Bewusstsein gelassen werden.
Leider neigen die meisten Menschen zu Perfektionismus. Unzulänglichkeiten werden als Scheitern empfunden statt als Herausforderung und Aufgabe. Wir Yogis sind da nicht anders. Aber die Yogapraxis konfrontiert uns immer wieder aufs Neue mit unserer Unvollkommenheit, damit wir an dieser Erfahrung wachsen und lernen sie als Stärke zu erkennen.
Unsere Wirbelsäule ähnelt ein wenig dem Mast eines Bootes – sie ist stabil und doch flexibel. Sie ist die Aufhängung für den Rumpf, den zentralen Teil unseres Körpers. Außerdem trägt sie unseren schweren Kopf, der uns den Überblick über unsere Umwelt erlaubt und in Austausch mit ihr tritt. Viele unserer Reaktionen auf die Wahrnehmung unserer Umwelt und unserer Mitmenschen werden von hier aus gesteuert.
Da die Wirbelsäule unseren Rumpf nicht im Zentrum durchläuft, gibt es ein starkes Übergewicht nach vorne. Wenn unsere Wirbelsäule nicht ihre Doppel-S-Form hätte, könnten wir uns nicht aufrecht halten. Das Gewicht unseres Rumpfes würde uns unweigerlich nach vorne kippen lassen. Unter dem Gesichtspunkt der Statik ist es also vorteilhaft, dass unsere Wirbelsäule diese Krümmungen aufweist.
In Hinblick auf ihre Stabilität ist die Form der Wirbelsäule aber eher ungünstig und nur dem Kompromiss der notwendigen Statik geschuldet. Für die Stabilität der Wirbelsäule wäre es tatsächlich besser, wenn sie mehr einem Bootsmast ähneln würde. Stell dir einmal vor, ein Architekt würde ein Gebäude konstruieren, das Krümmungen analog zu unserer Wirbelsäule hätte – er wäre wahrscheinlich seinen Auftrag ziemlich schnell los. Diese Stellen der starken Krümmung, insbesondere die sogenannten Lordosen an der Lenden- und Halswirbelsäule, nenne ich daher Sollbruchstellen. Dort erleiden wir am häufigsten Bandscheibenvorfälle oder Vorwölbungen.
Unsere Wirbelsäule muss uns jedoch nicht nur Halt geben, sie muss uns auch Bewegung ermöglichen. Und sie muss flexibel auf die Kräfte reagieren können, die bei Bewegungen auf sie einwirken.
Unsere Wirbelsäule ist schon eine geniale Konstruktion. Dadurch, dass sie in so viele, einzeln gegeneinander verschiebliche Wirbelkörper aufgeteilt ist, erreicht sie ihre hohe Flexibilität. Leider nutzen wir die Bewegungsmöglichkeiten unserer Wirbelsäule im Alltag nicht annähernd aus und so geschieht auch mit der Wirbelsäule, worauf unser Körper evolutionär geprägt ist: Alles was nicht genutzt wird, wird aus der Sicht unseres Körpers auch nicht benötigt und kostet ihn nur Energie, um es funktionsfähig zu halten. Daher baut der Körper alles an Funktionen und Fähigkeiten ab oder schränkt ein, was wir nicht regelmäßig nutzen. Unser Leben, unser Alltag, unsere Gewohnheiten beeinflussen wie wir aussehen, wie stark, beweglich, wie gesund wir sind, wie wir uns fühlen und noch vieles mehr. Daher ist es wichtig, dass wir uns bewegen, um die Fähigkeiten unserer Wirbelsäule aufrechtzuerhalten.
Manche Yogalehrer betrachten sogar die Aufrichtung der Wirbelsäule als eine weitere Bewegungsrichtung.
Wir können diese Richtungen auch miteinander kombinieren, dann werden unsere Bewegungen dreidimensional. Eigentlich sind (fast) alle natürlichen Bewegungen dreidimensional, was damit zusammenhängt, dass unser Körper nicht für das aufrechte Stehen, sondern für die Bewegung nach vorn, das Laufen konstruiert ist.
Der stabile aufrechte Stand ist sozusagen der Ausgangs- oder Startpunkt für jede Bewegung in eine oder mehrere der vier Richtungen. Dies ist nicht selbstverständlich. Schau dir einmal aufmerksam deine Mitmenschen in deiner Umgebung an, wie sie stehen. Niemand steht im Alltag wirklich aufrecht. Manche verlagern ihr Gewicht mehr auf eine Seite bzw. auf ein Bein, manche schieben ihr Becken nach vorne, manchen lassen die Schultern nach vorne hängen und dadurch bedingt rundet sich auch ihr oberer Rücken.
Nicht jede dieser Stand-Gewohnheiten ist grundsätzlich als schlecht oder schädlich anzusehen. Wenn du dich jedoch sehr häufig und sehr lange in solche Ausweichhaltungen begibst, kann dies zu Verspannungen, Schmerzen, zu Dysbalancen der stabilisierenden Muskeln führen. Noch schlimmer ist es, falls du eine sitzende Tätigkeit ausübst und den Großteil deines Tages im Sitzen verbringst. Dann wird deine Wirbelsäule über einen langen Zeitraum in einer Haltung fixiert, was zu starken Spannungen in den die Wirbelsäule haltenden und ausrichtenden Muskeln führt. Durch solche Muskelspannungen sowie die Einwirkungen des Körpergewichts und der Schwerkraft können dann auch z.B. Nerven komprimiert werden oder eben auch deine Bandscheiben einseitig belastet werden.
Die beste Möglichkeit, solchen Problemen vorzubeugen bzw. diese zu beseitigen ist, deine Wirbelsäule in allen ihren Bewegungsrichtungen zu trainieren. Genau das tun wir im Yoga. Und zwar weitaus gründlicher und intensiver als in den meisten Sportarten. Yoga hilft deiner Wirbelsäule, ihre natürliche Flexibilität zurückzugewinnen und zu erhalten. Dadurch, dass du in einer Yogastunde sämtliche Bewegungsrichtungen intensiv übst, werden die entsprechenden Muskeln wieder flexibel. Gleichzeitig trainierst du auch deine Muskelkraft, damit dein Muskelkorsett seine schützende Funktion richtig ausüben kann.
Der stabile aufrechte Stand bringt uns wie erläutert in ein harmonisches Miteinander aller beteiligten Körperstrukturen, so dass alle Kräfte möglichst optimal ausbalanciert sind und der Körper nicht einseitig belastet wird. Allerdings ist ja nicht Sinn und Zweck unseres Daseins, den ganzen Tag stabil und aufrecht irgendwo herumzustehen. Von Natur aus ist unser Körper für die Bewegung gemacht. Bei Bewegungen kommt eine weitere Dimension ins Spiel. Insbesondere bei unserer wichtigsten Bewegungstätigkeit, der Fortbewegung, wird dies besonders deutlich.
Sobald wir uns vom Stand in das Gehen hineinbewegen, muss der Körper mehrere Bewegungsachsen verbinden, damit wir überhaupt vorwärtskommen. Jede dreidimensionale Bewegung vereint axiale Bewegung mit Rotation. Das macht unsere Bewegungen so komplex. Beim Gehen z.B. bewegt sich unser Becken in rotierenden, spiraligen Achten. Dies ist uns natürlich nicht bewusst, wenn wir gehen. Die Bewegungen beim Laufen geschehen von selbst ohne dass wir sie steuern müssen. Allerdings spielt uns auch hier unsere einseitige Alltagsbelastung einen Streich.
Es gibt natürlich nicht die eine „optimale“ Art zu Gehen. Jedoch sind einige solcher „Gangeigenheiten“ wiederum ein Zeichen von Dysbalancen im Körper. Dies können unflexible Muskeln sein, die eine harmonische Gangart verhindern, weil sie bestimmte Bewegungen einschränken, es könne auch Muskelschwächen sein, aufgrund derer ein Mensch sein Becken auf der Schwungbeinseite gar nicht mehr richtig anheben kann.
Beim Yoga üben wir zwar nicht das Gehen, das ist aber auch gar nicht notwendig. Eine regelmäßige Yogapraxis wird dir bei fast allen Anforderungen, die dein Leben, dein Alltag an deinen Körper stellt, helfen und dich darin unterstützen, diese besser zu meistern. Die Yoga-Haltungen und insbesondere die Verbindung der einzelnen Haltungen zu einem Bewegungsfluss bringt deinen Körper in alle nur erdenklichen Bewegungsmöglichkeiten hinein und du lernst diese wieder ganz neu. Du wirst mit der Zeit und mit einer regelmäßigen Übungspraxis flexibler, stärker, lernst deinen Körper neu kennen und schätzen. Und vor allem lernst du auch, auf die Signale deines Körpers zu hören. Du wirst immer feiner und genauer wahrnehmen können, wie es deinem Körper geht, was er gerade benötigt und dich darauf einstellen können.
Tadasana – Die Berghaltung
Es gibt nicht die einzig richtige Haltung, genauso wie es auch keine falsche Haltung gibt. Deine Haltung zu einem bestimmten Zeitpunkt spiegelt vieles wieder: Deine Körpererfahrungen, die du bislang im Leben gemacht hast, seelische Erfahrungen und Einflüsse, die dich geprägt haben und nach wie vor prägen und vieles mehr. Deine Haltung kannst du also als Spiegel deines Lebens, deiner Erfahrungen, deiner Einstellungen etc. betrachten. Nicht umsonst benutzen wir das Wort Haltung auch in diesem metaphorischen Sinne für ‚Einstellung gegenüber etwas‘.
Die Haltung eines Menschen können wir also auch als einen Spiegel seiner selbst betrachten. Sie zeigt uns Dinge über den Menschen, die wir so nicht wissen oder wahrnehmen. Wenn du an deiner Haltung arbeitest, sie bewusst veränderst, bewirkst du nicht nur eine Änderung auf der körperlichen Ebene. Dies wirst du spüren je länger du Yoga übst. Eine regelmäßige Yogapraxis bewirkt Veränderungen auf vielen Ebenen. Deine Körperhaltung wird sich sicher verbessern, wahrscheinlich auch deine Einstellung zu dir selbst und zu anderen, dein Umgang mit Schwierigkeiten in deinem Leben, körperlichen wie seelischen.
Wenn deine Yogalehrerin dir Haltungs-„Anweisungen“ gibt, dann sind das Hinweise, Hilfen, wie du eine Yogahaltung besser verstehen kannst, wie du dich in die Haltung hineinarbeiten und in der Haltung selber weiterarbeiten kannst. Es sind keine Vorschriften, was du tun musst, um diese Haltung „richtig“ auszuführen. Deshalb sieht eine Yogahaltung auch bei jedem anders aus. Jeder Übende macht auf seinem Weg in die Haltung, beim Verharren und Üben in der Haltung wie auch auf dem Weg aus der Haltung heraus seine ganz eigenen Erfahrungen. Dein Körper ist eben einzigartig und deshalb ist auch deine Übungspraxis völlig einzigartig.
Es gibt immer wieder Berichte in der Presse über Yogaübende, die sich durch Yoga verletzt haben. Daraus wird dann leicht geschlossen, dass Yoga nicht gesund, sondern sogar ziemlich gefährlich sei. Natürlich kann es auch mal zu Verletzungen kommen beim Yoga. Aber nicht, weil eine Yogahaltung ungesund ist und dem Übenden per se schadet.
Wenn Verletzungen im Yoga geschehen, dann meist, weil Teilnehmer sich von etwas leiten lassen, dem wir eigentlich im Yoga entgegenwirken wollen: dem Ehrgeiz, unbedingt eine bestimmte Haltung erreichen zu wollen. Gerade Yogaanfänger, die natürlich mehr verletzungsgefährdet sind, weil ihr Körper noch gar nicht richtig auf die Übungen vorbereitet ist, sind oft von der falschen Vorstellung geprägt, es ginge beim Yoga darum, bestimmte Haltungen zu erreichen. Sie gehen von der äußeren Form einer Yogahaltung aus und lassen sich dabei von Bildern im Internet oder in Zeitschriften leiten: Eine Yogahaltung hat so und so auszusehen, und erst wenn sie bei mir auch so aussieht, dann habe ich die Haltung, sprich das Ziel erreicht.
Genau darum geht es im Yoga nicht. Hier hilft uns der schöne Spruch „Der Weg ist das Ziel“ weiter. Nicht eine bestimmte Endposition gilt es zu erreichen, sondern den Weg in die Richtung dieser Position, dieser Haltung zu beschreiten. Wo auf diesem Weg wir uns befinden ist individuell extrem unterschiedlich. Auch sind wir jeden Tag an einem anderen Punkt dieses Weges, je nachdem wie wir uns gerade fühlen. Nicht die Endposition einer Haltung bringt die Wirkung dieser Haltung zur vollen Entfaltung, nein: der Weg dorthin ist es.
Das gilt es im Yoga zu entdecken: Die Wirkung einer Yogahaltung beginnt in dem Moment, in dem ich bewusst und achtsam den Weg in die Haltung hinein beginne. Das ist es, was wir mit dem Üben von Yogahaltungen bewirken wollen: die Wirkungen der verschiedenen Haltungen beim Üben erleben, nicht eine Ziel- oder Endposition erreichen. Dieses Missverständnis muss jeder Yoga-Übende am Anfang seines Übungsweges erst mal überwinden.
Dein Körper ist erstmal so wie er jetzt ist ganz wunderbar. Es ist der Körper, der dir jetzt gegeben ist. Wenn du Yoga übst, begibst du dich auf eine Entdeckungsreise und je länger du den Yogaweg beschreitest, desto mehr Erfahrungen wirst du machen. Dein Körper wird sich verändern, deine Haltung, deine Einstellungen werden sich verändern. Du wirst aber kein besserer Yogi, wenn du in der Lage bist, bestimmte Yogahaltungen einzunehmen. Der fortgeschrittenste Yogi ist derjenige, der gelernt hat, die Bedürfnisse seines Körpers und seiner Seele zu erkennen und sein Verhalten achtsam daran auszurichten.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir gar nicht mehr ehrgeizig sein sollen und keine Ziele haben, wenn wir Yoga üben. Ehrgeiz ist eine wichtige Triebfeder für unser Handeln, für unsere Entwicklung. Im Yoga lernst du jedoch, deinen Ehrgeiz und deine Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen. Wenn dir dies gelingt, dann kommt deine natürliche Körperintelligenz zur vollen Entfaltung und du wirst dich beim Yoga Üben fordern, aber nicht überfordern. Jeder Mensch verfügt über Mechanismen des Selbstschutzes, die verhindern, dass er sich überfordert. Manche Menschen hören nicht auf ihre innere Stimme, die ihnen sagt, was gut für sie ist und was nicht. Dann verletzen sie sich auch beim Yoga.
Im Yoga sprechen wir von Vinyasa, wenn wir die Verbindung der einzelnen Haltungen zu einem Bewegungsfluss bezeichnen. Das bekannteste der Yogasutren von Patanjali spiegelt diesen Zusammenhang von Stabilität und Flexibilität wider: sthira sukham asanam. Das bedeutet eine Yogahaltung sollte gleichzeitig stabil und leicht sein. Ich verstehe dieses Sutra so, dass eine Haltung immer durchlässig ist, sie ist nicht statisch, auch wenn sie von außen unbewegt erscheint.
Die stabile Wirbelsäule bildet den Anker, aber auf energetischer Ebene findet auch in einer Haltung Bewegung statt – Energiefluss, der die Lebensenergie, das Prana durch den Körper leitet. Stabil können wir nur sein, wenn wir den Energiefluss nicht unterbrechen. In diesem Sinne ist jede Haltung immer auch Bewegung.
Unser Hüftgelenk ist das stabilste Gelenk im Körper. Beim Gehen und noch mehr natürlich beim Laufen trifft eine enorme Druckbelastung auf das Gelenk, dem dieses standhalten muss. Deshalb ist das Hüftgelenk maximal durch Bänder abgesichert, so dass es z.B. im Vergleich zum wesentlich labileren Schultergelenk kaum ausgekugelt werden kann. Trotzdem ist es ein sehr flexibles Gelenk, da es ein Kugelgelenk ist, d.h. der kugelförmige Hüftkopf ist in der Lage, in einer entsprechend kugelförmigen Hüftpfanne in alle möglichen Richtungen hin und her zu gleiten. Deswegen können unsere Beine diese fantastischen vielgestaltigen Bewegungen machen.
Allerdings gibt es von Mensch zu Mensch große Unterschiede in der Hüftbeweglichkeit. Diese ist zwar auch veränder‑ und trainierbar, jedoch gibt es anatomische Beschränkungen je nach Form der Gelenkteile. Es ist deshalb nicht jedem Menschen möglich, den Lotussitz zu erlernen, der ja so oft als „typische“ Yogahaltung angesehen wird. Ich spreche in meinen Kursen dann gerne von „europäischen und indischen Hüften“, um deutlich zu machen, dass die meisten Yogaübenden diese Sitzhaltung an die Möglichkeiten ihrer individuellen Hüftanatomie anpassen müssen.
Wenn du die individuelle Besonderheit deiner Hüftgelenke nicht beachtest kann es tatsächlich passieren, dass du dir Schaden zufügst. Schon mancher Yogi hat sich durch den unbedingten Willen, den Lotussitz erlernen zu wollen, seine Kniegelenke verletzt. Wie das denn jetzt, fragst du dich? Wenn du dich in eine solche Sitzhaltung hineinzwingst, indem du mit Gewalt deine Füße in deine Hüftbeugen schiebst, dort fixierst und obwohl du spürst, dass diese Haltung für dich nur mit Anstrengung und Druck Ausüben zu erreichen ist, regelmäßig darin eine längere Zeit verweilst, weil ja nur Übung den Meister macht, wird der zu starke Druck, der durch die mangelnde Beweglichkeit des Hüftgelenkes entsteht, an das nächstliegende schwächere Gelenk weitergegeben. Das ist das Kniegelenk. So kann eine falsche Intention („ich muss doch als Yogi den Lotussitz können“) dazu führen, dass du dir beim vermeintlichen Yoga Üben eher schadest als etwas Gutes zu tun.
Was du dann schmerzlich erfahren und lernen musst, ist Folgendes: Yoga Üben heißt die Möglichkeiten und Grenzen deines Körpers kennen‑ und akzeptieren zu lernen. Eine regelmäßige Yogapraxis kann und wird diese Grenzen zwar verschieben, aber dies geschieht durch regelmäßiges, achtsames und liebevolles Üben. Und manches an deinem Körper ist eben nicht veränderbar, hat seine natürlichen Grenzen. Dadurch bist du nicht schlechter als andere, nur eben anders.
Ich sage meinen Teilnehmern immer: Ein etwas unbeweglicherer Mensch hat mehr vom Yoga Praktizieren als ein hypermobiler Tänzer. Warum? Nur wenn du Grenzen hast, die du spüren und wahrnehmen kannst, lernst du das Wesen einer Yogahaltung kennen, wohin diese Haltung zielt, wo in deinem Körper sie etwas in Bewegung setzt, wo sie „arbeitet“. Ein hyperflexibler Tänzer kann dies meist nicht mehr spüren. Er bewegt sich mit Leichtigkeit in eine Haltung hinein und … „langweilt“ sich dann, fängst eventuell an, an den Fußnägeln zu spielen, im Geiste die Liste für den nächsten Einkauf zusammenzustellen etc.
Ich habe es an anderer Stelle schonmal erklärt: Es geht im Yoga nicht darum, wie eine Haltung aussieht, sondern was sie in dir in Bewegung setzt. Damit ist gemeint, was beim Üben dieser Haltung geschieht, was du wahrnimmst, was du erlebst, was du fühlst. Du schaust nicht von außen darauf, wie du aussiehst in einer Asana, auf den äußeren Anschein der Haltung, sondern nach innen, auf deine Haltung zu dir selbst. Da tut sich dir eine ganz neue Welt auf, je länger du Yoga übst. Yoga Üben konfrontiert dich mit denselben Dingen, Einstellungen, Wahrnehmungen, positiven oder negativen Glaubenssätzen, Vorurteilen etc., denen du auch in deinem täglichen Leben begegnest.
„Dein Leben auf der Yogamatte“ – damit ist gemeint, dass du beim Üben all das, was auch dein sonstiges Leben und Erleben prägt, auf deiner Matte wiederfindest, ob es dir gefällt oder nicht. Wenn du ein ungeduldiger Mensch bist, dem nichts schnell genug gehen kann, wirst du auch deine Yogapraxis erstmal genauso empfinden. Vielleicht wirst du denken: Warum macht die Yogalehrerin nicht mal schneller, dann könnten wir noch mehr schaffen in der Stunde? Wenn du ehrgeizig und perfektionistisch bist, wirst du vielleicht deine Mattennachbarn immer genau beobachten, wie „gut“ oder „schlecht“ sie eine Haltung ausführen und versuchen, immer mindestens genauso tief, wenn nicht noch tiefer in eine Haltung hineinzukommen. Vielleicht wirst du auch unzufrieden während deiner Praxis, weil du in deinen Augen nicht „gut genug“ bist.
All diese Reaktionen sind natürlich und normal – eben dein Leben auf der Matte. Das ist das Tolle an Yoga: Mit der Zeit lernst du dich selber besser kennen in deinen Reaktionen, vielleicht lachst du innerlich sogar über dich, wenn du dich wieder mal erwischst bei solchen Gedanken oder Gefühlen. Und dann lernst du, damit umzugehen, deinen Weg zu finden, wie du sie akzeptieren oder ändern kannst. Jedenfalls wie du das, was einmal negativ oder hinderlich für dich war, zu etwas Positivem verändern kannst. Das passiert natürlich nicht unbedingt schnell. Wie alles im Leben ist Yoga eben ein Weg, vielleicht ein längerer, aber es lohnt sich, die Reise zu beginnen.
Die Rotationsfähigkeit unserer Wirbelsäule erweitert unseren Bewegungsradius. Durch sie werden viele alltägliche Bewegungen und Handlungen überhaupt erst ermöglicht. Z.B. wenn wir neben oder hinter uns greifen, um etwas aufzuheben, der Schulterblick beim Autofahren, wenn wir die Straße überqueren, die Bewegung des Gehens selber gelingt so weich und harmonisch nur deshalb, weil unser Becken in Achterbewegungen rotieren kann, was ihm durch die Wirbelsäule ermöglicht wird.
Leider sind bei vielen Menschen die tagtäglich ausgeführten Bewegungen nur noch sehr eingeschränkt durch Rotationsbewegungen gekennzeichnet. Das macht sich dann irgendwann bemerkbar. Oft ist es besonders die Brustwirbelsäule, die eigentlich am stärksten rotieren kann, die ihre Fähigkeit im Laufe der Zeit immer mehr verliert. Das bedeutet dann, dass der Betroffene Ausgleichsbewegungen machen muss. Z.B der Schulterblick beim Autofahren: Hier übernimmt dann die viel beweglichere Halswirbelsäule den fehlenden Rotationsanteil der Brustwirbelsäule. Das kann auf Dauer zu Problemen führen und gerade die Halswirbelsäule ist da besonders empfindlich. Ein Bandscheibenvorfall in diesem Teil der Wirbelsäule ist viel folgenreicher als z.B. in der Lendenwirbelsäule. Dem sollte man unbedingt vorbeugen, indem das Rotieren der Brustwirbelsäule trainiert und damit erhalten wird.
Auch auf weiter entfernt liegende Gelenke kann sich eine mangelnde Rotationsfähigkeit der Wirbelsäule auswirken: die Kniegelenke oder Fußgelenke können ebenso durch diesen Mangel geschädigt werden.
Rotationsbewegungen spielen im Yoga eine ganz wichtige Rolle und sind auch in vielen Asanas mit enthalten, deren Schwerpunkt gar nicht in der Rotation liegt. Insbesondere aber die typischen Rotations-Asanas im Sitzen und Liegen haben in ihrer Wirkung eine besondere Bedeutung. Sie können helfen, Gelenk- oder Wirbelblockaden zu lösen, die oft auch Ursache von Muskelverspannungen sind. Durch solche Verspannungen können nicht nur Schmerzen entstehen, sondern auch Funktionsstörungen. Es kann zu Kompressionen von Nerven kommen, was sogar zu Störungen von Organfunktionen führen kann. Hier kann das Üben der intensiven Rotationen im Yoga helfen bzw. vorbeugen. Andererseits ist bei schon vorhandenen Schädigungen hier dann auch besondere Vorsicht geboten: z.B. bei Gleitwirbeln, Morbus Bechterew, akuten Bandscheibenvorfällen in der Heilphase oder Osteoporose muss besonders achtsam geübt werden. Manchmal muss die Bewegung auch angepasst werden oder eine bestimmte Asana kann auch mal kontraindiziert sein. Hier gibt die Yogalehrerin den Betroffenen im Unterricht die entsprechenden Hinweise und Hilfen.
Dies ist eine wichtige Funktion und ein direkter Nutzen von Twists: Durch das Drehen der Körpermitte werden viele Organe gegeneinander verschoben und somit in ihrer Funktion angeregt. Twists fühlen sich auch so an: Als ob man einmal „ausgewrungen“ würde wie ein nasses Handtuch. Die Darmtätigkeit z.B. wird dadurch positiv unterstützt, ebenso viele andere Stoffwechselprozesse. Twists „befeuern“ den Körper und helfen ihm bei seinen Reinigungsprozessen.
Auch das: Twisten aktiviert Energiereserven und macht irgendwie froh und glücklich, so platt das auch klingt. Denke nur mal an den Tanz – „Let’s twist again…“ vermittelt schon genau dieses Gefühl. Ist ja auch irgendwie klar, wenn Twists Stoffwechselprozesse anregen: Du wirst aktiver.
Neben dem anregenden Aspekt kommt andererseits aber auch eine zweiter zum Tragen: Twists wirken ausgleichend, harmonisierend. Das ist ja z.B. auch beim Gehen die Funktion des Rotierens: dafür sorgen, dass der Körper im Gleichgewicht bleibt, wenn durch das Nachvornschieben von Becken und Bein der Oberkörper – vermittelt über die Rotation der Wirbelsäule – in die Gegenrichtung bewegt wird. Dadurch erst wird die Bewegung harmonisch und ausbalanciert. Bei Menschen, die verspannt und fest in der Wirbelsäule sind, sieht man das oft an einem schwankenden Gang – das Gewicht wird von links nach rechts verschoben, damit die Vorwärtsbewegung überhaupt gelingt, das Becken mit dem Bein nach vorne geschoben werden kann. Eine ausgeglichene Rotationsfähigkeit macht den Gang eines Menschen elegant und anmutig, wie man es bei Tänzern wunderbar sehen kann.
Ausgleich findet aber auch auf anderen Ebenen statt: Bei Bewegungen über die Körpermitte, wie es beim Rotieren der Fall ist, werden beide Gehirnhälften miteinander harmonisiert. Verstärkt wird dieser Effekt, wenn ich meine Arme in diese überkreuzende Bewegung mit hineinnehme, wie es bei vielen Variationen von Standhaltungen der Fall ist. Auf psychischer Ebene bedeutet dies: durch Drehungen werden Gegensätze zusammen- und wieder ins Gleichgewicht gebracht. Wenn z.B. ein Ungleichgewicht zwischen Denken und Fühlen besteht, kann eine intensive Rotationspraxis hier ausgleichend wirken.
Twists können aber auch neue Perspektiven eröffnen. Wenn ich auf der körperlichen Ebene starr und unflexibel bin, findet dies oft auch auf der seelischen Ebene seine Entsprechung. Auch hier können rotierende Asanas helfen, Flexibilität auf allen Ebenen wieder- oder überhaupt erst herzustellen.
Diese Übung vereint mehrere Rotationsbewegungen. Einerseits kreist du um eine horizontale Achse herum. Dabei muss deine Wirbelsäule ebenfalls um ihre eigene Achse rotieren, damit diese Kreisbewegung überhaupt möglich wird.
Du kannst diese Übung für dich zu Hause ausführen, wenn du z.B. gestresst bist und das Gefühl hast, es hat sich etwas bei dir angestaut, dass du loswerden willst, wenn du dich unausgeglichen fühlst, aber auch, wenn du Rückenschmerzen aufgrund zu vielen und zu langen Sitzens oder Stehens hast. Die Übung kann dir auch Inspiration bringen, wenn du z.B. das Gefühl hast, du hängst in einer bestimmten Denkweise fest, von der du dich lösen möchtest. Oder wenn du etwas mal aus einer ganz neuen Perspektive betrachten möchtest.